Techno Classica 2023
Ein Bericht von Hartwig Rietz, Bilder von H.R. und Dr. No
Die Top-Messe für klassische Autos ist zurück und diesmal sollte sie wieder mit der üblichen Vollausstattung an Autos stattfinden, die so auf einem Fleck zusammen schwer zu finden sind. Die Erwartungen nach der mehrjährigen Pause waren hoch gesteckt, die Vorfreude riesig – also auf nach Essen; zudem es die Messe Essen endlich geschafft hat, die ewige Baustelle (altes Deutschland Tempo) fertigzustellen.
Die Anreise war am Sonntagmorgen auch klassisch, d. h. die Autobahn war leer wie in den 70ern. Direkt am Eingang Ost stand ein liebevoll restaurierter Unimog, in der Nähe kamen die 02-Freunde erstmalig auf ihre Kosten und aus dem Nichts tauchte Dr. No auf – besser hätte der Auftakt nicht laufen können. Kurze Abstimmung für einen weiteren gemeinsamen Bericht und auf in die heiligen Hallen.
Halle 7 -dort sind viele der großen Händler versammelt- war die Fahrt alleine wert. Auch wenn es sich über die Jahre immer wieder ähnelt; was über diese Händler angeboten wird, ist wirklich automobiles Kulturgut. Bei Cargold stand ein Iso Grifo in hellblau metallic mit hellem Innenraum- mehr italienische Eleganz in der Erscheinung ist schwer möglich, der Anblick lud zum Verweilen ein. Die Fahrzeugzustände der Autos waren auch in dieser Halle auf unterschiedlichem Niveau, viele Angebote waren jedoch technisch gut und insofern oft einen zweiten Blick wert.
Dass Essen nicht der Platz für das untere Preissegment ist, ist bekannt. Was aber auffiel, waren trotzdem sehr hoch wirkende Preise. Nach Covid und in einer Welt mit starker Inflation haben die Händler kaufmännisch korrekt die Gelegenheit genutzt, um ein neues Preisniveau festzulegen bzw. dies zu versuchen. Ebenfalls bei Cargold stand ein Porsche 964 N-GT in sternrubin, keinesfalls perfekt, für 399.000,– EUR. Auch insgesamt hat das Preisniveau kräftig angezogen. Ansonsten bot dieser Teil der Messe für das Hochpreissegment das gewohnte vielfältige Angebot.
Einen Zeitsprung von über 40 Jahren und gleichzeitig das leider etwas unrühmliche Ende einer Ära stellte der letzte, damals von Kremer erstellte Porsche 917 in MALARDEAU Farben dar. Er wurde 1981 noch einmal in Le Mans eingesetzt, Fahrer war u. a. Bob Wollek, ging jedoch sang- und klanglos unter und schloss damit den Auftritt des Siegers von 1971 und 1972 an der Sarthe ab. Kaufpreis: 7.500.000,– EUR. Immerhin mit einem weiteren Satz Räder.
Nach einer Stunde Staunen und einigen interessanten Gesprächen ging es weiter, wobei sich ein Eindruck verdichtete – ich denke, dass nur ca. 75% der Fläche belegt waren, etwas kaschiert durch geschickte Positionierung. Viele kleine Betriebe fehlten, der gesamte VW-Konzern war werksseitig nicht vertreten und die Vielzahl von Anbietern, die die Messe sonst so bunt gemacht haben, war nicht vorhanden. Auch die Besucherzahl, egal was später kommuniziert werden sollte, war gering. So viel Platz hatten wir noch nie.
Im Zentrum in Halle 6 waren weitere hochpreisige Klassiker im Angebot, in Halle 3 die übliche Zusammenstellung von eher sportlichen Autos, hier wirkte alles fast wie gewohnt. Early 911s hatte eine beeindruckende Bandbreite an Porsche Modellen aufgefahren, selbst der Jagdwagen fehlte nicht. Wer hier als Fan luftgekühlter Elfer nichts finden konnte, dem war nicht zu helfen. Doch auch hier: Preissprünge in ungeahnte Höhen. Der blutorange 911 2.7 RS Leichtbau von 1973 im Neuzustand (oder besser) war faszinierend anzusehen, 1.200.000,– EUR sind aber auch ein Wort.
In den Innenhöfen waren auch wieder Flächen für Privatverkäufe bereitgestellt worden, hierfür reichte unsere Zeit allerdings nicht. Ein Tag ist sicher nicht genug, um alles zu sehen. Außerdem warteten neue Highlights. Axel Schütte präsentierte zwei BMW 507, was für ein Auto! Die Gesamtwirkung ist schon beeindruckend und die Designdetails sind eine Welt für sich. Auch das macht diese Messe aus, die wahren Ikonen des Automobilbaus sind hier zu sehen, manchmal mehrere nebeneinander auf einem Stand. Ferrari 250 SWB, Mercedes Flügeltürer, der o. g. BMW 507, die Liste lässt sich lang fortsetzen. Man gewinnt Eindrücke aller Stilrichtungen, sei es italienische Leichtigkeit, britische Holz- und Lederinnenräume, deutsche Wertarbeit oder französische Extravaganz, alles ist vor Ort im Übermaß zu bewundern.
Ob Porsche Carrera GT, Citroen Le Dandy, Corvette Stingray, Lamborghini Espada, Maserati Ghibli, Ferrari 275 GTB, aber auch Fiat Jolly und BMW 2002 turbo – meistens waren gleich mehrere Exemplare vorhanden. Im Grunde genommen musste man sich nur ein Traumauto der Jugend ausdenken und suchen. Irgendwo stand er. Hinzu kam ein Angebot hochwertiger Vorkriegsautos, die allesamt schön anzusehen waren. Inwieweit hier die besonderen Autos wie Mercedes oder Bentley diesen allgemein rückläufigen Markt überleben werden, wird sich zeigen. Käufer klassischer Autos sind oft die, die sich Jugendträume im fortgeschrittenen Alter erfüllen können und wollen. Die, die von solchen Autos geträumt haben, sind heute nicht mehr unter uns. Trotzdem, auch diese Boliden sind auf ihre Weise toll und von der Techno Classica nicht wegzudenken.
Insgesamt war der Tag in Essen wundervoll und die Eindrücke wirken bis heute nach. Fehlende Werksbeteiligung hier und da hat dem Spaß keinen Abbruch getan, die kleinen Händler fehlten nicht wirklich. Hier wird sich das Geschäft ins Netz verlagert haben, die Standpreise in Essen werden das ihre dazugetan haben. Über die hohen Preise der Autos werden in erster Linie diejenigen Kommentare abgeben, die nie wirkliches Kaufinteresse haben. Insofern lohnt sich die Diskussion nicht. Würde der, der sich über 1.200.000,– EUR für den Porsche 911 2.7 RS Leichtbau aufregt, ihn für 600.000,– EUR kaufen wollen? Eher nicht.
Also, die Messe war toll, diese Ansammlung der schönsten Autos hat begeistert. Die Atmosphäre war entspannt, Platz zum Schauen gab es genug und mehr kann man beim allerbesten Willen nicht erwarten. Wer sich wirklich für eins der hier angebotenen Fahrzeuge interessiert, muss mit dem von den Händlern angestrebten Preisniveau leben und wird dies in aller Stille wohl auch tun. Vielleicht schärft das den Blick für Qualität noch etwas mehr und anders als vor einigen Jahren lässt sich nicht mehr jeder Blender verkaufen. Das wäre doch ein positiver Effekt.
Und weil auf Franks Seite ein Hinweis zur Verpflegung nicht fehlen darf, soll damit dieser wie üblich höchst unvollständige Bericht abgeschlossen werden. Currywurst Pommes weiß Cola 14,– EUR. Und weil alles aus dem Foodtruck eines unabhängigen Anbieters und nicht von der Messe Essen kam, hat es sogar geschmeckt.