Prolog: Jörg Stursberg habe ich als Fahrtleiter der Hasten Historic kennen gelernt. Meine erste Teilnahme muss wohl 2015 gewesen sein. Die DK-Negativ-Kontrollen mit dem „Kamel“ haben mich sofort beeindruckt. Negative-DK habe ich bisher auch bei anderen Veranstaltungen nirgendwo angetroffen. Auch sonst konnte die Hasten Historic unter der Fahrtleitung von Jörg immer überzeugen – auch wenn meine/unsere Performance nicht immer überzeugte. Beste Platzierung war mal Platz 3 in der Klasse, 2017 war es Platz 10… Immer wieder kamen einem die verflixten Kamele in die Quere, die sehr verlockend als DK getarnt im Weg standen, z.B. am Freibad Dhünn. Folgerichtig wurden die Kamele dann auch in meinem Erstlingswerk „Von Chinesen, Baumaffen und Kamelen“ entsprechend gewürdigt. Aber Jörg ist nicht nur Fahrtleiter (gewesen), sondern auch aktiver Fahrer, gerne auf Modellen italienischer Provenienz. Längere Zeit schon planten wir mal eine gemeinsame Fahrt, aber immer wieder hat es nicht geklappt. Daher freue ich mich ganz besonders auf unsere erste gemeinsame Herausforderung im verfluchten Corona Jahr bei der kontaktlosen Rallye Ruhrgebiet Klassik 2020. Auch diese Traditionsveranstaltung hat es zu Buchehren geschafft (auch wenn sich Herr Sonnendecker zu Recht beschwert hat, ich hätte in der Erstausgabe sowohl seinen Namen, als auch den seiner Veranstaltung falsch geschrieben…).


Auch die „alten Hasen“ des MSC Ruhr-Blitz in Bochum konnten ihre Rallye als „kontaktfreie“ Variante umsetzen, und das zu einer Zeit, wo andere Veranstalter und Clubs immer noch absagen. Dafür werden sie mit einem ausgebuchten und prominenten Teilnehmerfeld belohnt. 80 Starter-Teams, wobei alles vertreten ist, was „Rang und Namen“ hat. Für Spannung bei den Platzierungen ist somit gesorgt. Dieses Jahr geht die Strecke wieder ins südliche Münsterland, also vom Start in Bochum aus nach Nordost. Auflagenbedingt wird auf Zuschauerdurchfahrten und die beliebten Prüfungen auf dem Bochumer Innenstadt Boulevard verzichtet, aber ansonsten verspricht die Ausschreibung feine Rallyekost. Wieder gibt es eine „touristische Oldtimer-Rallye“ sowie eine „Touristische Ausfahrt für Rookies“. Bei dem Begriff „touristisch“ haben wir schon in den Vorjahren wissend gelacht. Jaja, „Aufgaben-stellung ohne besondere Anforderungen“, schon klar 🙂 … Wer einmal teilgenommen hat, der weiss, hier wird durchaus gehobenes Anspruchsniveau geboten. Immer fair, aber auch immer wieder mit „Georg´s Spezialetappen“, die gerne einmal fischgrätig daherkommen, oder durch ein Parkhaus an der Ruhruni führen. Auch die Zeitprüfungen können es in sich haben, vor allem wenn man morgens noch im Schlafmodus ist.

In den Ausführungsbestimmungen fielen im Vorfeld u.a. folgende Formulierungen auf, die auf evtl. Fallen schließen lassen:

  • Es sind nur durchgehend doppellinige Straßen nach Karte zu befahren
  • Verbinden Sie alle Aufgabenteile (auch Chinesen Zeichen ) immer nach dem Prinzip der kürzesten Strecke von Aufgabenteil zu Aufgabenteil.
  • Zwischen zwei Aufgaben verbinden Sie nach alter und neuer Karte
  • Nicht Normale Kartenbeschriftungen (z.B. Ortsnamen) unterbrechen die Streckenführung
  • Veranstalter-Markierungen können die (doppellinige) Streckenführung unterbrechen

Wir erwarten also irgendwelche „Schweinereien“ bei den Chinesen und definitiv Veranstaltermarkierungen. Vielleicht auch manipulierte Karten, Jörg kennt sowas – Insgesamt wirkt der Anspruch „erhöht“, aber definitiv schlauer ist man ja immer erst hinterher…

Wegen „Du weisst schon“ war der Start dieses Mal nicht im bekannten und beliebten Gasthaus Goeke, sondern beim Prüfzentrum Liermann, welches jedoch in ziemlicher Nachbarschaft in Riemke beheimatet ist. Die Gastronomie im Stadtpark Bochum hat die Corona-Beschränkungen leider nicht überlebt.

Als besonderen Bestandteil des kontaktlosen Konzeptes haben die Bochumer einen „virtuellen Aushang“ kreiert. Hier kann man online, auch während der Fahrt, alle relevanten Unterlagen, aber auch die Ergebnisse, abrufen. D.h. die Ergebnisse der GLP wurden sukzessive nach Eingang online veröffentlicht (und nicht erst im Nachgang oder gar Tage später…). Sehr innovativ.

Vom Prüfzentrum aus geht es los und dann nach kurzer Zeit auch schon in die erste Zeitprüfung. Hier muss man aufpassen, denn zu einem so frühen Zeitpunkt ist man ggf. noch nicht ganz „eingefahren“, gerade in neuer Teamzusammensetzung! Besondere Herausforderung: Das Roadbook erhält man erst knappe 5 Minuten vor dem Start. Also, groß Einlesen ist nicht, das muss dann innerhalb der Wertungszeit auf der Strecke erfolgen. GLP 1 war an der selben Stelle wie im Vorjahr, also die Stelle mit dem „Haken“. Die Ziellichtschranke ist bei 20 Sekunden Fahrzeit ganz schön weit weg und man muss Gas geben. Aber wir waren ja vorgewarnt und somit hatten wir hier keine Probleme.

Der Streckenverlauf orientierte sich grob an der 2017er Version mit Mittagspause am Flugplatz Borkenberge bei Dülmen. Aber natürlich mit Variationen. Zunächst muss der Stadtverkehr mit den diversene Tempo 30 Zonen und Ampeln überwunden werden, bevor es ländlich wird. Der Übergang vom nördlichen Ruhrgebiet zum südlichen Münsterland hat landschaftlich (und industrie-kulturell) einiges zu bieten. Nach 9 Seiten chinesischem Roadbook folgten dann die ländlichen Streckenverläufe weit überwiegend mit Karten. Diese hatten zwar wieder einen gewissen Rotstich, waren aber dieses Mal sehr scharf und damit gut lesbar gedruckt. Es gab dann zwischendurch kombinierte Orientierungs- und GLP-Etappen. D.h. eine trickreichere Kartenaufgabe musste in einer bestimmten Sollzeit gefahren werden. Diese Aufgaben waren gut gemacht (auch i.S. der Kontroll-Ökonomie), aber auch gut zu fahren: hier gab es keine besonderen Herausforderungen, außer natürlich den gewissen Zeitdruck bei einer Ori-Aufgabe.

Etwas anders sah das an zwei auf den ersten Blick komplett harmlosen Stellen in der Karte aus. Hier konnte man erst vor Ort erkennen, dass offenbar eine wichtige Stelle vor einem liegt. Es war jeweils ein T-Stück mit einer abweichenden Situation nach Karte und nach Natur. Obacht, denn in den Ausführungsbestimmungen war klar formuliert: Fahren nach KARTE. Dies musste dann vor Ort korrekt umgesetzt werden. Ist die Kontrolle nun aufzuschreiben oder nicht? Ebenfalls haben wir unterwegs eine Veranstaltermarkierung gefunden, die den kürzesten Verlauf sperrte. Auf der Umfahrung stand aber merkwürdigerweise keine Kontrolle. Komisch, damit wurde dann eigentlich nur „Zeit verloren“. ?! Vielleicht wurde die Kontrolle hier aber auch geklaut?

Das Etappenziel „Mittagspause“ erreichten wir unter Einsatz aller Motorkräfte mit quietschenden Reifen und aufsetzenden Endschalldämpfern buchstäblich auf die letzte Sekunde (ZK). Denn unterwegs waren deutlich erkennbare Überlappungen zu fahren… so sah es aus. Dann führte dieses Umfahren aber zu merkwürdigen Verrenkungen. Strecke gesperrt durch „rund und rot“, dann 2mal durch die Lichtschranke, auch noch nach der GLP? Das mutete komisch an. Es stellte sich später heraus, dass die Überlappung zwar erkennbar, aber nicht beabsichtigt war. Durch das Gesuche in irgendwelchen abseitigen Straßen hatten wir Zeit verloren, die uns am Ende etwas fehlte. Aber auch mit 65 PS ist sportliches Fahren möglich!

Nach der Open Air-Pause führt die Strecke wieder zurück durch das Münsterland nach Bochum. Es ging an und über Lippe, Stever, Emscher und diversen Kanälen vorbei. Da das Wetter bis dahin mitspielte, konnte man den schönen Streckenverlauf genießen. Ebenfalls ein besonderer „Genuß“ wurde dann in Behringhausen im Gewebegebiet „Erin Park“ (ehem. Zeche Erin) geboten. Schnell wurde klar, dass sich hier ggf. ein Großteil der Wertung ergeben wird. Nach der ZK 3 mussten zunächst 8 „spezielle“ Chinesen gelöst werden – dann ging es auf dem selben Gelände nach 5 roten Aufgabenteilen in einer Karte weiter. 180 Meter im Kreisverkehr haben wohl einige Teilnehmer sehr beschäftigt 🙂 Danach musste man „nur noch“ nach Karte zurück zur Prüfungsstelle – dabei aber nicht die GLP 6 übersehen oder vergessen, da konnte man schnell mal dran vorbei brettern!

Im Anschluss konnte man noch einen gemütlichen Abend im Clublokal Goeke verbringen. Natürlich gab es keine offzielle Veranstaltung und keine Siegerehrung, aber ein Teil des Lokals war für Teilnehmer reserviert und wir konnten als normale Gäste hier den sozialen Austausch pflegen. Natürlich wurden die diversen Aufgabenstellungen diskutiert… 26, 63, 180 Meter, usw. Allerdings fand nur ein kleiner Teil der Teams den Weg in das Lokal, offenbar waren dies die langjährigen Teilnehmer, das war ein wenig schade. Gegen 19 Uhr wurde die Kaffeetafel dann auch aufgehoben und man machte sich auf den Heimweg. Der Hammer: Das Gesamtergebnis stand bereits gegen 19.30 Uhr online im Internet. Die sukzessive Auswertung und die eher geringe Zahl an Kontrollen (keine Ortseingangschilder) hatten hieran wohl einen Anteil. Man muss dem Auswertungsteam aber auch ein großes Kompliment aussprechen. Bei anderen kontaktlosen Fahrten musste man mehrere Tage auf die Ergebnisse warten. Der virtuelle Aushang hat sich also bewährt. Die Bereitstellung der Infos zu den GLP sowie den sonstigen Ergebnissen und Unterlagen zur Rallye ist vorbildlich.

Am Ende zeigte sich dann, dass die Platzierungen doch nicht ausschließlich über die GLP-Zeiten, sondern auch bzw. insbesondere durch einzelne Ori-Aufgaben sowie ZK-Strafen zustande kamen. Gerade die Chinesen im Erinpark waren nicht für alle Teams so einfach zu fahren. Mit Platz 1 in der Klasse 8 sowie dem dritten Platz gesamt sind wir natürlich sehr zufrieden. Null Fehler in den Bordkarten! Insofern ein sehr gelungener Einstand für das Kamel-Team!

Fazit: Gelungene Kontaktlos-Variante der RRC mit allen typischen Zutaten. Sehr schöne Streckenverläufe und abwechslungsreiche Aufgaben. Extrem schnelle Auswertung und Ergebnisse. Über die Verpflegung darf ich hier nichts schreiben 🙂 Für die 2021er Auflage könnten die Fehlermöglichkeiten durchaus noch ein wenig breiter gestreut werden (d.h. es entscheidet sich dann nicht bei 2-3 Stellen.) Ansonsten bitte gerne weiter so!

Epilog: Bei dieser Veranstaltung sind mir einige Teilnehmer mit ihrem Fahrverhalten negativ aufgefallen. So ist es durchaus möglich, mal rechts ran zu fahren, wenn man sehr langsam unterwegs ist, um andere Teilnehmer mit erkennbarer Zeitnot vorbei zu lassen. Das Gleiche gilt für die Warteschlangen vor den ZK. Die Karten muss man auch nicht im stehenden Auto mitten auf der Kreuzug studieren. Und durch Fahrräder und Spaziergänger muss ich auch nicht hupend oder mit bewusst heulendem Motor durchbrettern. Dann beschweren die sich nämlich – zurecht!