Bei unserer erstmaligen Teilnahme an der Hagen Klassik 2018 zeigte sich eine uns ungewohnte Kombination aus Oldtimerwandern (keine Baumaffen!) und anspruchsvollen Zeitaufgaben, die zum Teil auch sehr exotisch ausgestaltet werden (Sollzeit 1,5 Sekunden). Relativ gruselig waren Auswertung und Siegerehrung am sehr späten Abend, eher vorbildlich die vorab im Internet verfügbaren Informationen, die schon einen Beifahrerlehrgang-Charakter hatten (leider werden diese nicht mehr weiter geführt). Nachdem im Nachgang zur 2018er Auflage viele / sehr viele Beteiligte „verloren gingen“, wurde für 2019 eine erneute Neu-Auflage erwartet bzw. angekündigt: Einfachere Start-Ziel-Sollzeitprüfungen und Fahraufträge wieder nur nach Chinesen, dieses Mal aber durchaus mit Anspruch. Denn auch mit Chinesen kann der Fahrtleiter ja so allerlei Schabernack treiben und die Teilnehmer in Fallen locken. Stichwort Bauminseln oder Kreisverkehre 🙂 Geblieben ist das Rallye-Zentrum in der Mensa der Fernuni.
Apropos Schabernack: Im Vorfeld verwirrt die Fahrtleitung schon einmal mit einem online gestellten Bulletin, betreffend die Referenzstrecke für die Kilometrierung im Bordbuch (Aufgaben nach kilometrierten Chinesen):
„Die gesamte Kilometrierung der Strecke im Bordbuch entspricht der Kalibrierung der ehemaligen VDO-Teststrecke, die sich im Bereich der Feldmühlenstraße 9 in 58099 Hagen befindet und links und rechts am Bordstein gekennzeichnet ist. Sie befahren diese Strecke zwischen den Zeichen 27 und 30 im Bordbuch 1.“
Was soll einem das sagen? Erfahrungsbasiert erwartet man hier doch im Verlauf der Aufgaben eine oder mehrere Fallen. Was ist die ehemalige VDO-Kalibrierung? Ist die ggf. besonders exotisch? Nur wenige Teilnehmer haben die Meßstrecke dann wohl tatsächlich abgefahren so wie wir. Das sollte auf die Ergebnisse auch nur geringe Auswirkungen haben. Tatsächlich war aber das Roadbook wirklich sehr präzise beschrieben: die Distanzen stimmten exakt auf 10 Meter genau.
08.06.2019 35. Hagen Klassik
Veranstalter: Hagener Automobil Club e.V.
Team: André Behrensdorf / Frank Schäfer auf BMW 2002 ti
Nach dem Auswertungschaos im letzten Jahr wurde die Veranstaltung teilweise re-settet und es gab u.a. ein komplett neues Auswertungsteam. Nicht neu waren Start und Ziel an bzw. in der Mensa der Fernuni Hagen, auch wenn morgens die Leiterin des „Freilichtmuseums Hagen“ begrüßt wurde. Tatsächlich war es wohl eher die Rektorin… 🙂
Die knappen Ausführungsbestimmungen kündigten an (Touristische Klasse):
185 km Fahrstrecke, 5:45 Stunden Fahrzeit, nur 3 Abschnitte, 5 Kurz-GLP als Sollzeitmessungen mit Lichtschranken.
Kontrollen sollten als besetzte und unbesetzte Stempelkontrollen vorkommen, sowie als Baumaffen. Glücklicherweise keine Ortseingangsschilder (da hätte man wahrscheinlich 10 Bordkarten mit füllen können an diesem Tag).
Roadbook und Bordkarte gab es erst am Start und los ging es direkt in die erste Kurz-WP auf einem Parkplatz an der Uni. Auch die restlichen Sollzeitprüfungen wurden alle auf abgesperrten Geländen ausgetragen. Die Beschreibungen gab es dazu auf einem gesonderten Blatt und diese waren wirklich vorbildlich dargestellt.
Sehr präzise auch das chinesische Roadbook, welches einen aber zunächst für längere Zeit durch wenig attraktive Städte führte. Hoher Anteil von Ampeln und Tempo 30 Zonen, erst später und am Nachmittag ging es dann durch wunderschöne bergische Landschaften auf zum Teil atemberaubend kleinen Straßen. Der Zustand der Straßen war aber überwiegend grottenschlecht. Investitionsstau Deutschland, aber dafür kann der Veranstalter ja nichts.
Bei den Chinesen hatten wir nach den Vorankündigungen eigentlich diverse Fallen oder Schmakazien erwartet. Bis auf eine Stelle am Vormittag war da aber nichts. Keine Bauminseln, keine Parkplätze. Nothing. Chinese um Chinese wurde an einander gereiht und so zog sich die Strecke doch etwas zäh dahin. Auffällig im Vergleich die zum Teil sehr kurzen Abstände der Kilometrierung, auch an Stellen, wo dies zum Auffinden der Strecke eigentlich nicht erforderlich gewesen wäre. So wurden z.B. 840 Meter geradeaus mit 8 Fahraufträgen dargestellt, wo ein Zeichen ausgereicht hätte. So kann man auch Seiten im Bordbuch füllen.
Für die Mittagspause hatte man die Henrichshütte in Hattingen ausgewählt, heute ein Museum und imposanter Bestandteil der Route Industriekultur.
Weniger beeindruckend, zumindest im positiven Sinne, war der Mittagsimbiss, von Essen möchte man da nicht schreiben. Wie im letzten Jahr (deja vu) gab es Reste von Gemüse als wässrige Suppe mit einem abgezählten Fleischklops, ebenfalls ohne Geschmack. Wie hoch war noch mal das Nenngeld? 149 Euro? Unfassbar. Wie im letzten Jahr begann die Suche nach alternativen Lebensmittelquellen. Zum Glück fand gleichzeitig auf dem Gelände noch ein Ford Mustang-Treffen statt! Dort gab es Getränkestände, Kuchen, aber auch Pommes und leckere Burger! Warum nicht so, liebe Veranstalter?
Ähnlich grenzwertig war die organisatorische Performance rund um die Mittagspause (ZK an und ab). Vorzeit war nicht erlaubt, davon hatten wir aber reichlich. Der Streckenposten wies uns an, schon mal zu Parken und dann zu Fuß am Ziel die Bordkarte abzugeben. Dann könnte man auch direkt Vorzeit erlauben. Leider haben wir dann am Ende hier einen Strafpunkt für zu spätes Eintreffen bekommen, das ist schon ärgerlich. Eine Re-Start-Zeit gab es auch nicht, die musste man sich durch eigenständiges Erfragen und Ausrechnen selber zusammenreimen. Dazu gab es unterschiedliche Aussagen der Posten, die tatsächlich auch keine Zeitliste für den Re-Start hatten. Hier gibt es noch Potenziale.
Wertung und Ergebnisse: 5 SZP und insgesamt 28 Kontrollen auf 185 km. Da musste man schon (fast) alle Stempel und Baumaffen mitnehmen, um vorne mit dabei zu sein. Die Baumaffen waren grundsätzlich gut lesbar, standen aber auch und insbesondere in Orten und waren nicht immer direkt erkennbar (2 davon im Ortskern von Iserlohn recht spät auf der Strecke, davon 1mal von einem parkenden Auto verdeckt). Was man anerkennen muss: inzwischen fahren verdammt viele Teilnehmer extrem gute Zeiten. Auch bei den Touristen. Schön, wenn dann ein „junges Team“ ganz vorne ist und den Gesamtsieg inkl. Leder-Rallye Brett für sich einfahren kann.
Auswertung und Siegerehrung: der Veranstalter hatte sich offenkundig vorgenommen, den großen Schwachpunkt des Vorjahres anzugehen und zu verbessern. Tatsächlich hingen die Ergebnisse sehr früh, wurden nicht 10mal korrigiert und auch die Siegerehrung konnte sehr pünktlich beginnen. Soweit so gut. Allerdings wurden Nachfragen und „Einsprüche“ zu Gunsten des Zeitfaktors eher rustikal behandelt. Wenn z.B. Eintragungen in der Bordkarte teilweise unleserlich geschrieben sind (aufgrund der schlechten Straßen), dann sollte man im Zweifel zu Gunsten der Teilnehmer entscheiden. Gerade wenn eindeutig (!) erkennbar ist, dass das Team die korrekte Strecke gefahren ist und nicht nachträglich korrigiert wurde.
Das Abendessen in der Mensa war gut und reichhaltig. Aber auch hier gilt: für 149 EUR sollten zumindest Wasser und Softgetränke inkludiert sein. Bitte mal in Oelde nachfragen, wie man sowas macht!
Fazit: Ablauf prinzipiell wie 2018, jedoch mit angeglichenem Niveau der Aufgabenstellungen in der touristischen Klasse. Schnelle Auswertung. Nach wie vor passiert aber auf 185 km zu wenig. Reduziert auf vielleicht 120 km und mit deutlich geringerem Nenngeld wäre der Gesamteindruck positiv(er).
Nachtrag: auch bei dieser Veranstaltung zeigte sich, dass der Abstand in der Aufgabenstellung zwischen Touristisch und Sportlich wieder zugenommen hat. Touristisch sehr einfach, es entscheidet sich über einige weniger Zeiten, sportlich hammer-schwer. Das Mittelmaß fehlt (uns zumindest). Dafür sollte es doch mal die tourensportliche Klasse geben?